Pressetext
Arnulf Rainer (geb. 1929) und Antonius Höckelmann (1937-2000) verbindet eine gemeinsame Behauptung gegenüber dem Bild. Sie formulieren diese Behauptung in unterschiedlichen Ausgangssituationen, weshalb sich die Berührungsstellen umso belastbarer ineinander verschränken.
Rainer ging im Wien der 1950er Jahre von einer Extremlage aus. Um 1900 zum Gegengewicht des Kunstzentrums Paris aufgeblüht, war die Kunstszene der österreichischen Hauptstadt nur noch eine verkümmerte Franse am Eisernen Vorhang. Am Rekonstruktionsversuch war Rainer im Kreis um Monsignore Otto Mauer und die Galerie nächst St. Stephan maßgeblich mitbeteiligt. Paris und der letzte verbindliche, europäische Malereistil des Informel blieb dennoch sein befreiendes Fluidum. Dessen erlösende Wirkung bestätigte allerdings die Peripherie Wiens gegenüber dem Zentrum Paris. Die Werkzeuge des Informel – Geste, Zufall, Automatismus der Hand – band Rainer in Wien allerdings ans Bild zurück. Er näherte sich über die Anfüllung, die Überfüllung, die Zerkleinerung 1954 schließlich der Übermalung an, bei der er blieb. Denn das Bild – damit sind vom Akt über das Porträt bis hin zum (gemalten) Kruzifix die abendländischen Bildtypen gemeint –, wurde vom Informel und noch allgemeiner von der Abstraktion endgültig aufgelöst. Was an Rainers Werken oft genug als Zerstörung skandalisiert worden war, ist ganz im Gegenteil eine Strategie der Bewahrung.
Der Westfahle Höckelmann setzte sich nach seiner Ausbildung zum Holzbildhauer der noch aussichtsloseren Lage in Westberlin aus. Aussichtslos, weil die ummauerte Enklave des Westens weder von den letzten Strahlen des sinkenden Paris noch schon von denen des neuen Kunstzentrums New York berührt wurden. Dieser genuinen Provinzialität gewann Höckelmann seine einsichtsvolle Eigenständigkeit ab, die nur deshalb an ähnliche skandinavische Modernetraditionen anknüpft, weil dort ähnliche Bedingungen herrschten. Generationsbedingt rückt die Auseinandersetzung mit dem Informel hier in den Hintergrund, während nun der Konstrast zur dominierenden Minimal Art und der Konzeptkunst hervortritt – erst recht nach dem Umzug Höckelmanns 1978 nach Köln. Dieser Kontrast wird im Organischen greifbar, das die Motive und auch als Ornament seiner Bildwerke durchdringt. Auf Höckelmanns Bildern und an seinen Plastiken wuchert formal Verbotenes, und dies geradezu lüstern.
Sieht man nun von den herkömmlichen Deutungen ab, die derartiges bildnerisches Streben weiterhin auf eine Methodik des Wahnsinns, sexueller Kompensation oder auf eine Aktivierung des Unbewussten abstellen, so tritt sowohl in Rainer als auch in Höckelmann jene „stillose Grundkraft“ (Per Kirkeby) vor Augen, die in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts als die eigentliche Rarität zu feiern ist. Sie äußert sich ausschließlich in händischen Verfahren des Bildens, weil nur dort der stilbildende Zwangscharakter jeglicher Technik umgangen werden kann. Neben dem Stilkriterium sagt diese Kraft aber auch denen der Entwicklung oder gar des Fortschritts ab. Mit unberechenbaren Folgekosten für die Wahrnehmung im Kunstbetrieb scheinen beide Künstler über Jahrzehnte stets das Gleiche zu machen. Doch das ist lediglich eine weitere Bedingung, die „stillose Grundkraft“ zu einer Behauptung auszuprägen. Nur was die kunsthistorische Taxonomie derart beharrlich irritiert, kann sich zu Fundamenten künftiger Möglichkeiten für Bilder auswachsen.
In der Gegenüberstellung zeigt sich die Ähnlichkeit zwischen Rainer und Höckelmann in diesem Potenzial. Wo sich die Ähnlichkeit stilistisch aufzudrängen scheint, gestaltet sie sich eigentlich vielmehr strategisch. Nämlich in der Verdichtung händischer Bildstrukturen bis zur Unerträglichkeit. Deren die Formate bedrängende Energien wirken dem horror vacui entgegen, der in der zeitgenössischen Bild- und Blickkultur noch unbenannt um sich greift: Der Schrecken, unentrinnbar von entleerten oder sogar unsinnigen Bildern umgeben zu sein.