Pressetext
Vom 13. Juni bis zum 31. Juli 2003 zeigt die Galerie Michael Werner erstmals Arbeiten des Künstlers Jannis Kounellis (geb. 1936 in Piraeus, Griechenland) aus den Jahren zwischen 1965 und 2002.
Kounellis studierte an der Akademie der Schönen Künste in Rom, wo er seit 1958 lebt und arbeitet. In den 1960er Jahren war er ein wichtiges Mitglied der Arte Povera Bewegung in Italien. Die Arbeiten dieser Künstlergruppe zeichneten sich durch karge Materialien und einfachen Gestus aus. Zu den Vertretern gehörten Giovanni Anselmo, Alighiero Boetti, Luciano Fabro, Mario Merz, Giulio Paolini, Giuseppe Penone, Michelangelo Pistoletto, Gilberto Zorio und Jannis Kounellis.
Man kann Kounellis als Schlüsselfigur der zeitgenössischen Kunst betrachten, der sich nach symbolhaften Schrift-, Ziffern- und Buchstabenbildern hauptsächlich der Inszenierung poetischer Situationen widmete, die sich durch ungewöhnliche Materialkontraste und Verfremdungseffekte auszeichnen.
In diesen Installationen werden alltägliche Dinge wie Stahl, Baumwolle, Eier, Kohle, Kaffeepulver, Jutesäcke, Öllampen, Tische, Stahlplatten, Gasflammen, Schuhe, Stoffe, Bettgestelle und vieles mehr zu begehbaren Bildern inszeniert, die beim Betrachter den Eindruck einer Theaterkulisse erwecken. Zu Kounellis spektakulärsten Ausstellungen gehörte 1969 die (temporäre) Zurschaustellung von 11 lebendigen Pferden in der Tiefgarage der Galleria L’Attico in Rom und 1976 die Installation von verkleinerten, rauchenden Industrieschornsteinen in der Mailänder Galerie Salvatore Ala.
Mitte der 1970er Jahre begann Kounellis mit einer Serie von Mauerverschließungen und Feuerräumen, die Elementares wie Werden und Vergehen, Wärme und Kälte, Nähe und Distanz auszudrücken vermögen. Tote Objekte wie Haare treffen in den Installationen auf Lebendiges wie das Element Feuer. Der Betrachter spürt Isolation und Einsamkeit, was sich nicht zuletzt durch versperrte Ausgänge, geschwärzte Fenster oder mit Säcken verhüllte, lebende Gestalten äußert. In diese bühnenartigen Installationen inszeniert sich Jannis Kounellis teilweise selbst.
Neben frühen Buchstaben- und Zahlenbildern sowie Kohlen- und Feuerarbeiten weist Jannis Kounellis auch ein zeichnerisches Œuvre auf, dem sich unsere Ausstellung ausschließlich widmet. Hier begegnen sich surreale Bildwelten, die wie Traumsequenzen anmuten: Lokomotiven, die über Häuser fahren, Gesichter, die im Himmel erscheinen, Frauenkörper, die auf Kirchturmspitzen aufgespießt sind, gestapelte Totenschädel und aus Schornsteinen aufsteigender Rauch, der eigenes Leben zu haben scheint. Besonders prägnant ist die Darstellung von Räumen und Architekturen. Kounellis kreiert auch in diesem zweidimensionalen Medium Bildräume, die stark an seine Installationen anknüpfen. Er betrachtet die Zeichnung als das Zwischenergebnis von ständigen Prozessen künstlerischer Gestaltung, in der sich die Vorstellung eines Künstlers unmittelbarer niederschlägt als in einem anderen Medium.
Die Papierarbeiten unterschiedlichster Techniken sind in ihrer Farbigkeit sehr zurückgenommen und kommen meist mit Schwarz aus. Kounellis: „In den Farben gibt es keine Moral“. Die düsteren Arbeiten weisen zum Teil morbiden Charakter auf; fühlt man sich durch die großformatigen schwarzen Köpfe doch sehr an unterirdische Gebeinhäuser oder Totenschädelkammern erinnert. Sehr dunkle Arbeiten mit dichter Textur von schwarzer Kreide lassen Assoziationen zu Kounellis Raucharbeiten aufkommen, wie er sie unmittelbar auf Wänden hat entstehen lassen.
Kounellis Arbeiten werden bereits seit 1970 international ausgestellt, wie im Centro de Arte Reina Sophia Madrid, in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, im Museum of Contemporary Art in Chicago, im Ludwig Museum Köln, in der Whitechapel Art Gallery London, im Stedelijk van Abbemuseum Eindhoven oder im Musée d’Art Contemporain Bordeaux.
„...weil ein Werk bis zum letzten Augenblick offen ist. Wenn es nämlich bis in alle Einzelheiten definiert wäre, könnte es auch ein anderer machen. Es ist wie ein Magnet im Freien, bis zum Schluß zieht es etwas an.“ (Jannis Kounellis)
Ein Katalog begleitet die Ausstellung